CDs
| NEUES AUS
DER
POP
Comeback mit
7 0
•.
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t
jack Bruce
Von wegen Altenteil und Rente: Nach
elf Jahren
Plattenpause meldet sich
John Symon Asher „Jack“ Bruce mit dem
grandiosen Spätwerk „Silver Rails“ zu-
rück - und macht sich selbst das schöns-
te Geschenk zum
70
. STEREO hat ihn auf
seinem Landsitz in Suffolk besucht und
einen rüstigen Altmeister erlebt
STEREO:
Jack, w a ru m h a st D u D ich in S a -
chen Tonträgern so rar gem acht?
Jack Bruce:
Weil m ich niem and gefragt
hat - und ich m ir nicht sicher war, ob da
überhaupt noch Interesse besteht. Als dann
vor einem Jahr eine Anfrage meines jetzigen
Labels kam, habe ich sofort zugesagt. Und
natürlich hoffe ich, dass ich schon bald den
Nachfolger angehen kann.
STEREO:
W as a sso ziie rst D u m it „Silver
R a ils“? B ist D u - w ie N e il Y oung - ein Fan
von E isenbahnen, oder steh t das als M etapher
f ü r die gute, alte Z eit?
Bruce:
Ich bin kein Eisenbahnfan. Es ist nur
so, dass ich lange m it irgendwelchen Titeln
herumgespielt habe, die m ir nicht sonderlich
gefielen - m it Ausnahme von „Indian Head
Massage.“ D och den fand m eine Frau nicht
so toll. Deshalb habe ich m ich letztlich bei
einer Textzeile von Pete Brown bedient, der
m eine Lyrics schreibt.
STEREO:
W ie p a sst dieses A lb u m zu D ein em
Lebensw erk? W ie w ü rd e st D u es einstufen?
Bruce:
Es ist m it das Beste, was ich als Solist
gemacht habe. Und das allein deshalb, weil
m eine gesamte Familie beteiligt war. Also
Natascha, Kyla und Corin. Das hat dafür
gesorgt, dass es eine wirkliche Team-Arbeit
war. Sprich: Es war alles viel lockerer und hat
auch m ehr Spaß gemacht. Ganz abgesehen
davon, dass es säm tliche Seiten von m ir
zeigt. Dabei hatte ich zuerst vor, ein bisschen
hiervon und davon zu m achen, aber nach-
dem ich ein G rundthem a hatte - näm lich
den Umgang m it dem Alter und m it der
m odernen Welt - entschied ich mich, das
von unterschiedlichen Seiten anzugehen.
Eben mit einem möglichst breiten Spektrum,
das alles von Jazz, Rock über Blues umfasst.
STEREO:
U nd m it G ästen w ie P h il M a n -
zanera, R o b in Trow er oder Uli John R oth.
D er E inzige, der fe h lt, ist E ric C lapton. W ie
k o m m t s?
Bruce:
Weil ich so wenig Cream-Referenzen
wollte, wie möglich. Ich meine, diese Band
liegt mittlerweile wahnsinnig lange zurück.
Trotzdem werde ich ständig darauf ange-
sprochen - was einem Fluch gleichkommt.
D enn ich lebe im Hier und Jetzt, nicht in
der Vergangenheit. D eshalb bem ühe ich
mich, eine klare Trennlinie zu ziehen und
so eigenständig wie m öglich zu agieren.
Was bedeutet, dass ich Eric nur anrufen
würde, wenn ich eine bestim m te A rt von
Solo bräuchte - eine, die ich nur von ihm
bekom men könnte. Und er würde bestim m t
m itm achen. Nur: Ich will nicht nostalgisch
sein, sondern nach vorne schauen.
STEREO:
D u h a st in A b b e y R o a d a u fg en o m -
m en - w as w a r das f ü r ein G efühl, in den
heiligen H allen zu arbeiten, u n d g e h t es d em
S tu d io in zw isch en w ied er besser?
Bruce:
Ich glaube, sie haben ihre Krise
überw unden. Zum indest ist das der Ein-
druck, den ich über Weihnachten gewonnen
habe, als ich dort war. D a liefen so viele
Soundtrack-Geschichten und Aufnahmen
m it klassischen Sinfonieorchestern, dass sie
kaum hinterhergekom m en sind. Und für
m ich ist es im m er noch das beste Studio
der Welt - m it Abstand. Klar hat es etwas
von einem M useum. Aber - und das ist das
Entscheidende - es funktioniert alles, weil es
ständig gewartet wird. Insofern ist es imm er
noch ein Privileg, dort arbeiten zu dürfen.
U nd wenn m an m ich fragt, sollte Abbey
Road als historisches M onument konserviert
werden. Wie Big Ben oder die Tower Bridge.
STEREO:
W ie viel H ightech h a st D u bei den
A u fn a h m e n eingesetzt? O d e r b ist D u das
bew usst „old school“ bzw. analog angegangen?
Bruce:
Ich war schon im m er offen für neue
Ansätze und Ideen. Was zurückreicht bis in
die Tage des 3-Track-Recordings der BBC,
das damals als wer weiß wie revolutionär
galt. U nd das ganz einfach, weil D ir die
Technik dabei hilft, das umzusetzen, was Du
im Kopf entwickelt hast. Das ist es, w orauf
es ankom mt. Und w ürde Bach heute leben,
würde er bestim m t nicht sagen: „Ich weigere
mich, Pro-Tools zu benutzen, sondern spiele
lieber weiter diese Orgel, der irgendein Kna-
be Luft zuführen muss, während ich ihn m it
einem Stock verprügele.“ M oderne Technik
ist ein Hilfsmittel, das m an nutzen sollte.
STEREO:
W as h a t es m it d e m S o n g „N o
S u rre n d e r“ a u f sich? W e m d a r f m a n sich
n icht ergeben - der Gesellschaft, d e m System ,
d em A lter?
Bruce:
Das bezieht sich auf m eine ange-
schlagene Gesundheit, der ich m ich nicht
ergeben darf. Sondern ich muss etwas dafür
tun, um fit zu bleiben. Wozu viel frische Luft
und eine gesunde Ernährung zählen.
STEREO:
M itte M a i w irst D u 70. B ereu st D u
irgendetw as, das D u in der V ergangenheit
geta n oder n ich t g eta n hat?
Bruce:
Nein, und es w ürde ja auch keinen
Sinn machen, das zu tun - weil es sich eh
nicht ändern ließe. M an begeht halt Fehler
im Leben. Und wenn m an zu viel bedauert,
wird m an bitter und zynisch. Insofern muss
m an aufpassen, dass einen das nicht verein-
nahm t.
Interview: Marcel Anders
Rezension: siehe rechte Seite
130 STEREO 5/2014
★ ★ ★ ★ ★ hervorragend | ★ ★ ★ ★ sehr gut | ★ ★ ★ solide | ★ ★ problem atisch | ★ schlecht
FOTO: ESOTERIC RECORDINGS
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